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Ein gar grässlicher Selbstversuch

Von kelseb

Von Zeit zu Zeit erhält man komische Weihnachtsgeschenke. Es geht ja zwar um die Geste, aber wenn das Geschenk komisch ist, ist es eben komisch. Auch ich durfte an den vergangenen Weihnachten ein Geschenk entgegennehmen, welches mich komisch anmutete (das ist übrigens nicht das Verb, wenn einem ein Modem anpiepst.). Das Geschenk ist eine Flasche, wie auf dem Bild unschwer zu erkennen ist. Angeschrieben ist diese Flasche mit «SANGRITA CLASSICO».  Kommt mir spanisch vor, was wohl daran liegt, dass es Spanisch ist. Auf der Etikette lese ich weiter «FLÜSSIGER SNACK», und genau so sieht es aus. Ich hätte es glatt für eine Flasche Spaghettisauce gehalten.flasche

Man kann ja mit Geschenken viel anstellen: In den Eimer werfen, weiterschenken (was nicht ganz nobel ist), irgendwo aufbewahren oder gar verbrauchen. Da das Januarloch eingeschlagen hat, und für mich als Student sowieso das ganze Jahr Januarloch ist, sehe ich mich genötigt, die Flasche zu degustieren. Die dekorative Dame auf dem Bild, deren Hut von der Flasche absteht wie Dumbos Ohren, kann mich zwar auch nicht unbedingt motivieren, aber da muss ich durch. Als ich den Chuck-Norris-Mut zusammen habe und den Deckel aufdrehen will, stellt sich mir erneut eine Barriere in den Weg: Der Deckel trägt den Schriftzug «DER HERZHAFT FEURIGE DRINK». Hätten die das nicht drauf geschriebne, hätte ich die Flasche schon geöffnet.

Ich fasse mir erneut ein Herz und dreh sodann den Deckel. Und auf ist die Flasche. Als der Geruch des Gesöffs mir in den Rüssel steigt, hintersinne ich mich: Was habe ich da getan? Es riecht nach einem Fertiggericht, was man sich zubereitet, wenn man nichts anderes im Haus hat (wirklich nichts). Es riecht nach Tomate und nach anderen dem Geruch nach nicht bestimmbaren Dingen, was ja sicherlich kein gutes Zeichen ist. Meine Nase täuscht mich nicht. Auf der Rückseite erblicke ich die Deklaration: Tomtatensaft aus Tomatensaftkonzentrat (90%), ach wie lecker! Der Rest ist weder erwähnenswert, noch appetitlich. Ich entnehme der Deklaration noch, dass ich die Flasche vor dem Gebrauch noch zu schütteln gebraucht hätte. Ich erledige das prompt: Deckel wieder drauf, schütteln, Deckel ab. Geht doch.

Was bisher war, war Kindergeburtstag. Jetzt geht’s um Polterabend. Ich wage mich an den ersten Schluck. Ich bin selbst überrascht ob meines Mutes. Ich setzte also an, öffne meine Röhre und lasse den herzhaften Drink meine Kehle herunterrinnen. Er schmeck noch viel scheusslicher als er riecht: Pfui, pfui! Ich verfluche den, der mir das Geschenk geschenkt hat. Irgendwo hat es Grenzen. Nachdem der unsittliche Geschmack abgeklungen hat, besinn ich mich. So schlimm war es nicht, ich lebe ja schliesslich noch. Ich weiss, dass sich bei manchen Getränken erst nach einem zweiten Schluck die Einzigartigkeit entfaltet (beispielsweise Guinness). So wag ich mich an einen zweiten Schluck. Diesmal zieht es mir das Gesicht zusammen und ich komme zu einem Urteil: Einzigartig ist das Getränke und zwar einzigartig hässlich. Pfui again!

Einen dritten Schluck genehmige ich mir aus sicherheitspolitischen Gründen nicht mehr. Ich verschraub die Flasche wieder und mache damit, was ich schon von Beginn weg hätte machen sollen: Ich entsorge sie. Beim nächsten Geschenk erfreue ich mich besser wieder der Geste und lasse die Finger von «FLÜSSIGEN SNACKS».  Denn ich will ja keine Freundschaft gefährden.

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