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Tubeltrophy

Von Sir Rohner

Haben Sie auch schon mal eine richtig wichtige Persönlichkeit getroffen? Nein, nicht einen George Clooney auf der Kinoleinwand (what else?) oder die hüpfende Madonna auf MTV. Ich meine damit einen VIP der höchsten Stufe. So eins zu eins.
Ich schon. Letzte Woche. Lesen Sie davon! Tun Sie es!

Zuerst muss ich aber noch etwas ausholen, denn wenn Sie den Song von Baby Jail (Tubel Trophy) nicht kennen ist es nur halb so lustig. Darin wird ein Herr besungen, der sich selbst als der Grösste erachtet und dabei über alle Niederwertigen (z. B. Neger und Schwule) herzieht, am Ende dann aber im Dschungel des Amazonas spurlos verschwindet. Wem diese Inhaltsbeschreibung nichts sagt, der soll hiermit animiert sein, sich dieses Meisterwerk der Musik einmal anzuhören. Denn genau von dieser herausragenden Persönlichkeit, die da besungen wird, handelt es sich hier. Vom Tubel (und ich habe ihn getroffen!).

Letztlich sass ich mit ein paar Herren, die zu meinem näheren Freundeskreis zählen, im geschlossenen Speisewagen von Zürich nach Winterthur. Da eben, wie erwähnt, der Speisewagen „wegen zu geschlossen“ war, öffneten wir unsere eigenen Bierreserven und einer von uns kam auf die Idee, den föörigen Tee an Mitreisende gegen einen kleinen Aufpreis zu verscherbeln. Es fanden sich sofort zwei Abnehmer. Einen Herrn aus dem Kanton, wo es einen tollen Kräuterschnaps und einen rääsen Chäs gibt, und dann beschlossen wurde den Kanton gleich zu benennen und einen anderen Herrn, den VIP, den niemand von uns auf Anhieb erkannte.

Wir stiessen also zusammen, und so ergaben sich schnell einmal Wörter und daraus ein Gespräch. Der VIP ging nach einer belanglosen Aussage durch uns sofort in Stellung und richtete sein verbales Maschinengewehr in allen Belangen auf uns, inkl. dem Appenzeller, aus. Davon waren wir etwas überrascht. So diskutierten also Quersubventionierung von Autobahnen durch unser Schweizerland oder auch wer wo wem und wie viel Steuern abdrücken darf. Zur Integrationsfrage tasteten wir uns langsam heran.  

Je länger der Schlagabtausch andauerte, desto klarer wurde uns, wem wir hier gegenüber sassen. Es war nicht einfach ein Hirnamputierter, der nach der 3. Klasse die Schule verlassen musste, weil er bereits 18 Jahre alt war und das obwohl er im Singen und Klatschen nicht mal der Klassenschlechteste war. Dass er mit 16 das Fach Wirtschaft nach bestem Wissen und Gewissen mit einer Beiz gleich stellte und diese Orte nun eben öfters besuchte als den Pausenplatz, konnte ihm doch auch keiner übelnehmen. Nach unzähligen Jahren Ritalin spinnen alle Sinne. Nein, es war kein Bünzli, der nach ein paar Bier zur Übertreibungen noch und nöcher neigt, so wie es Hunderte tun. Das war er: The Master of Tubel himself! Ein wunderbares Exemplar!

Die schier unfassbare Grösse des Tubel, oder eben des Königstubel (Tubel regius) verlangte es, dass wir vier in Zusammenarbeit mit dem Appenzellers, arg gegen seine Ansichten anzukämpfen hatten. In der Punktewertung schnitt er aber regelmässig sauschlecht ab. Seine Argumente und Ansichten waren ohne jegliche Substanz. Einen Gratispunkt musste ich ihm zugestehen, als es um die Autobahnfrage betreffend neue Tunnels ging, und ich den Baregg mit dem Gubrist verwechselte. Aber wenn interessiert’s? Uns Thurgauer sicher nicht, da  unsere Autobahnen bis Oberwinterthur immer frei sind, und ab da ist es des Zürchers Problem mit Feinstaub und Unfallbehebung, inkl. der gebildeten Staus. Diese Aussage war ein Beispiel par excellence für „Öl ins Feuer giessen“. Und weil es so schön war, gaben wir noch eins obendrauf.....ebensowenig kümmert es uns, wenn der Kanton Zürich beschliesst aufgrund der hohen Feinstaubbelastung Tempo 80 auf Autobahnen einzuführen. Da fahren wir gerne noch mit 120 durch unserer malerische Gegend. Das schien ihn fuchsteufelswild zu machen. Wir Üsserschwiizer, die seine Autobahn verstopfen!!

Davon kamen wir dann ab und er versuchte es stattdessen in seiner Stammtischparadedisziplin: “Die Unterschiede zwischen Eidgenossen und Schweizern“. Wie es den Anschein machte, wollte er uns auf einen Klassenunterschied aufmerksam machen. Ich weiss bis heute nicht ob es an seinem beschränkten Wortschatz oder an unserer Begriffsstutzigkeit scheiterte. Worin keine Zweifel bestanden, war in seiner Zugehörigkeit. Er ist stolzer Eidgenosse. Wir als Nicht-ZH-er konnten nur schon froh sein, wenn wir nach seinem Massstab in die Kategorie „Schweizer“ eingestuft wurden.

In Winterthur, der Grossstadt, trennten sich unserer Wege leider. Unsere Visa waren abgelaufen und wir mussten den Zug mit den offenen Viehwaggons ins Ausland besteigen.

Die Fahrt in die Schweiz dauerte nur kurze Zeit und durch dieses Highlight,  inklusive persönlicher Statements eines VIP’s, dauerte unser Gespräch untereinander noch etwas an. In der Hauptstadt des Thurgaus (ein Aussenbezirk unter der Herrschaft der Zürcher) wurden wir schon wieder angesprochen. Da lauschte also jemand mit. Ein Spion der Eidgenossenschaft?
Nach einem kurzen hin und her über wen und was wir sprachen, stellte sich der Herr als Arbeitskollege des Tubels vor. Aufgrund seines Dialektes stufte ich ihn noch minderwertiger als uns ein. Ein Deutscher!!
 
Brisant war es dann zu erfahren, dass der Tubel als Schreiner in einer Thurgauer Firma arbeitet. Das hohe Ansehen, das wir von ihm hatten, vom Tubel regius, dem Vorzeigebeispiel in Lehrbüchern für Nachwuchseidgenossen, sackte ins Bodenlose. Er, der stolze Steuerzahler im Kanton Zürich, der sich über St.Galler und Thurgauer tagelang aufregen kann, wenn sie ihm die Autobahn verstopfen, ist dann doch ausserkantonal angestellt. Bei einer Firma, die nicht einmal dem Zürcher Fiskus was nützt......

Wir waren total baff! Wie so oft ist der Blick hinter die Fassade eine herbe Enttäuschung. Dass der Tubel ein Zürcher war entschädigt uns hingegen für die bösartige Behauptung nach Winterthur höre die Schweiz (?), Eidgenossenschaft (?) auf. Da darf ich als Ostschweizer, ohne es wirklich so zu meinen,  behaupten, dass wir stolz sind in der Schweiz zu leben und den Tubel im Ausland zu wissen.

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